Dr. Susanne Feuerbach und Claudia Kittel im Gespräch

Ab sofort sind die Allgemeinen Bemerkungen zur UN-Kinderrechtskonvention (KRK) erstmals gesammelt und auf Deutsch auf einer neuen Website zu finden. Eine Besonderheit ist die Allgemeine Bemerkung Nr. 25, denn sie behandelt ein Thema, dass die KRK ursprünglich nicht enthielt: Kinderrechte im digitalen Umfeld. Die Allgemeine Bemerkung dazu belegt, dass die Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen „lebendige Vertragswerke“ sind, die sich fortentwickeln.

Was ist die Allgemeine Bemerkung Nr. 25 über die Rechte des Kindes im Digitalen Umfeld?

Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte:

Zur UN-Kinderrechtskonvention von 1989 gibt es mittlerweile 25 Kommentare, auch General Comments oder auf Deutsch „Allgemeine Bemerkungen“ genannt. Darin erklärt der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, wie die Vertragsstaaten einzelne Rechte umzusetzen haben und besser verwirklichen können. Kinderrechte im digitalen Umfeld waren noch kein Thema, als die Kinderrechtskonvention vor über 30 Jahren geschrieben wurde. Da gibt es viele Fragezeichen. Die Allgemeinen Bemerkung Nr. 25 enthält ganz konkrete Hinweise, wie Schutz-, Beteiligungs- oder Förderrechte von Kindern und Jugendlichen im digitalen Umfeld verwirklicht werden können.

Die Übersetzungen dieser und anderer Allgemeiner Bemerkungen sind in einem Kooperationsprojekt entstanden. Welche Idee steckt dahinter?

 Dr. Susanne Feuerbach, Vorstand BAG Kinderinteressen e.V.:

Es gibt schon eine Reihe Übersetzungen von einzelnen Allgemeinen Bemerkungen. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen im deutschsprachigen Raum und sind im Netz verstreut. Wir bündeln nun alle Allgemeinen Bemerkungen auf einer deutschen Website. Das erleichtert das Auffinden ungemein. Damit schließen wir eine Lücke.

 Kittel:

Die Übersetzungen durchlaufen ein Redaktionsverfahren. Dabei hat es sich bewährt, Expert_innen aus dem jeweiligen Themenfeld der Allgemeinen Bemerkung von Anfang an mit an Bord zu haben. Wir haben immer je eine Person aus den entsprechenden Bundesministerien dabei, aus der Wissenschaft und aus der Zivilgesellschaft. Bei Kommentar Nr. 25 haben wir um die Texte und Begrifflichkeiten gerungen. Im Englischen heißt es beispielweise oft policies. Da haben wir überlegt: Sind das jetzt Maßnahmen, Gesetze, Pläne, Leitlinien? Am Ende ist eine sehr präzise Übersetzung entstanden, die nun hoffentlich von vielen Akteur_innen, beispielsweise der Rechtsprechung, ernst genommen wird.

Feuerbach:

Unser langfristiges Ziel ist, dass die Bundesregierung diese Übersetzung als offizielle, amtliche Übersetzung akzeptiert. Wir wollen auch noch einen Schritt weitergehen: Wenn der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes diese deutsche Übersetzung ebenfalls auf seiner Website veröffentlicht, wäre es die höchste Anerkennung unserer Übersetzungen. Dann gäbe es zusätzlich zu den verschiedenen Amtssprachen der UN auch eine deutsche Fassung, auf die sich alle berufen können.

Wer kann beziehungsweise soll wie mit dieser Übersetzung arbeiten?

Feuerbach:

Alle Bürger_innen können und sollen die Allgemeinen Bemerkungen nutzen, vor allem aber Kinderrechtsaktivst_innen, Kommunen, Vereine, freie Träger, Jugendhilfeausschüsse, Rechtsämter. Den englischen Originaltext kann sich nicht jede_r erschließen. Die Übersetzung gibt Sicherheit. Das ist wichtig, denn die UN-Kinderrechtskonvention ist ein Bundesgesetz, genauso wie das BGB oder die Straßenverkehrsordnung. Was ein „Knöllchen“ weiß jede_r, aber bei weitem nicht alle wissen, was eine Kinderrechtsverletzung ist oder was das Recht von Kindern auf Gehör konkret bedeutet. Da bieten die Bemerkungen eine gute Hilfe zur Auslegung und Anwendung.

 Kittel:

Zielgruppe sind die politischen Verantwortungträger_innen: die Bundesregierung und Landesregierungen. Selbst bei diesen ist oft noch viel zu wenig bekannt, wie die einzelnen Artikel der Konvention gut umgesetzt werden können. Deshalb wendet sich der Ausschuss in den Allgemeinen Bemerkungen an die 197 Staaten weltweit, die die Konvention gezeichnet haben, und empfiehlt ihnen konkrete Schritte und Maßnahmen.

 Feuerbach:

Auch die kommunale Ebene und die kommunalen Spitzenverbände müssen einbezogen werden: Der Deutsche Städtetag, der Städte- und Gemeindebund, der Landkreistag. Sie sind auf der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen die Garanten der Kinderrechte. Die kommunal Verantwortlichen müssen die Inhalte aufbereiten für die Menschen, die in Schulen, Kindertagesstätten, der offenen Jugendarbeit oder in der stationären Versorgung von Kinder arbeiten. So gelingt es, auch die Eltern zu erreichen.

 Haben Kinder und Jugendliche denn auch eine Rolle bei der Ausarbeitung der Allgemeinen Bemerkung gespielt?

 Kittel:

Der UN-Ausschuss hat mehr als 700 Kinder und Jugendliche aus 28 Ländern einbezogen und die Beteiligten haben sehr klare Aufträge formuliert: Wir wollen in unserer Privatsphäre geschützt werden. Wir wollen wissen, wie wir uns dagegen wehren können, wenn Unternehmen unsere Daten sammeln und Werbung auf uns zuschneiden. Die Kinder und Jugendliche haben sich auch gewünscht, dass Lehrer_innen dieses Wissen erwerben. Denn es zeigt sich im digitalen Umfeld, dass auch die Erwachsenen noch viel lernen müssen.

Dr. Susanne Feuerbach, Vorstandsmitglied der BAG Kinderinteressen e.V.
Claudia Kittel, Leiterin der Monitoringstelle UN-Kinderrechtskonvention
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